Breitscheider Mauerweg-TuSies rocken 100 Meilen Berlin – 4er Staffel beim Mauerweglauf

“Niemand hat die Absicht, 100 Meilen zu laufen”?

Weit gefehlt. TuS Breitscheid Leichtathletikchef Bernd Krayer hat dies bereits 2015, 2016 und 2017 mit Begeisterung beim Berliner Mauerweglauf erledigt. In 2019 lief er die Strecke mit Torsten Horn als Zweierstaffel. Britta Ludwig, die damals gemeinsam mit Brigitte Krayer die beiden an allen wichtigen Verpflegungspunkten begleitet hatte, war so begeistert von dem Event, dass sie unbedingt in 2020 eine Staffel laufen wollte, am Liebsten eine Viererstaffel (es gibt auch 10-Plus-Staffeln).

Am 9. November 2019 um 18:57 Uhr wurde das Registrierungsportal geöffnet und die Viererstaffel für 2020 mit dem Namen “Breitscheider Mauerweg-TuSies” wurde erfolgreich angemeldet.

Was hat es mit dieser Uhrzeit 18:57 Uhr auf sich? Am 9. November 1989 um 18:57 Uhr passierte folgendes in Ost-Berlin am Grenzübergang Bornholmer Straße: Stasi-Oberstleutnant Harald Jäger verfolgt die Pressekonferenz in der Kantine: „Das ist doch geistiger Dünnschiss“, sagt Jäger. Wenige Minuten später stehen die ersten DDR-Bürger am Grenzübergang. Der Mauerweglauf hat also einen engen Bezug zur jüngeren deutschen Geschichte. Gelaufen wird entlang der früheren Grenze, 100 Meilen rund um das westliche Berlin. Der Erinnerung an die Teilung Berlins und ihre Opfer zwischen 1961 und 1989 wird jedes Jahr ein sportliches Zeichen gesetzt und die Finisher-Medaille trägt in jedem Jahr das Konterfei eines Menschen, der bei dem Versuch, Stacheldraht und Beton zu überwinden, ums Leben kam.

Nun, zu einem Start in 2020 ist es pandemiebedingt nicht gekommen, aber für 2021 war die Staffel, bestehend aus Bernd Krayer, Britta Ludwig, Torsten Horn und Michél Ochmann (ein Berliner Kollege von Britta) bereit und voller Vorfreude auf den 14. August. Leider musste Britta verletzungsbedingt schweren Herzens ihren Staffelplatz stornieren, konnte aber glücklicherweise in Thomas Weiner einen perfekten Ersatz finden. Britta hat die Staffel dann wieder gemeinsam mit Brigitte begleitet und angefeuert.

Nachdem Bernd, Brigitte, Britta sowie Torsten mit Nicola, Lily und Hund Luis schon am Donnerstag in Berlin ankamen, folgte Thomas am späten Freitagabend. Mittags trafen sich Bernd, Brigitte, Britta, Michél, Torsten und Lily im H2 Hotel am Alexanderplatz zur Startnummernausgabe und Pastaparty. Hier gab es aus Sicherheitsgründen neben der 3G-Regel vorher buchbare Zeitfenster, um einen Massenandrang zu verhindern. Alles war perfekt organisiert und es gab auch viele schöne 100-Meilen-Souvenirs am Merchandise-Stand. Den Nachmittag verbrachten sie dann jeweils entspannt zur Vorbereitung auf den frühen Start am Samstag oder wie Brigitte und Britta mit ein wenig Berlin-Programm inklusive einer Bootstour auf der Spree bei traumhaftem Wetter.

Samstag, am 14. August war es endlich soweit. Bernd startete als erster Läufer der Viererstaffel um 7:30 Uhr im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg. Der Start wurde per Livestream übertragen.

Start Viererstaffeln
Bernd am Start als erster Läufer der Breitscheider Mauerweg-TuSies. Vor ihm liegen 59 km.

Brigitte und Britta trafen ihn dann erstmals um kurz nach 9 Uhr nach 13,4 km am VP 2 – East Side Gallery. Auch Michél tauchte dort auf und feuerte Bernd ordentlich an.

VP 2 - East Side Gallery

Britta, Michél, Bernd und Brigitte am VP 2 – East Side Gallery

Bernd machte sich wieder auf den Weg und Brigitte und Britta “verfolgten” ihn weiter und trafen ihn an den nächsten VPs: Zunächst bei KM 19,3 am VP Dammweg, dann am VP 4 – Johannisthaler Chaussee bei KM 25,0.

 

 

 

VP 4 – Johannisthaler Chaussee (KM 25,0)

Bevor Bernd zum VP 5 – Imbiss am Ziel – ankam, gab es für ihn noch einen ganz besonderen Zwischenstopp bei KM 29. Wie in jedem Jahr wurde auch beim Mauerweglauf 2021 ein Maueropfer gewürdigt und die Läufer haben an einem Streckenpunkt die Möglichkeit, persönliche Worte und Gedanken auf eine Karte zu schreiben und an eine Gedenkwand zu heften. In diesem Jahr wurde Dieter Berger gewürdigt.

Info von der Homepage 100meilen.de:

“…Im 32. Jahr nach dem Mauerfall ehren wir Dieter Berger. Dieter Berger aus Glienicke im Kreis Oranienburg ist 24 Jahre alt, als er im Dezember 1963 nicht weit von seiner Arbeitsstelle entfernt ins Ost-Berliner Grenzgebiet gerät. Weder Archivdokumente noch Zeitzeugenberichte geben endgültig Aufschluss darüber, aus welchem Grund das geschah. Während er Grenztruppen- und Stasi-Akten zufolge versucht haben soll, die Grenzanlagen zu überwinden, vermuten seine Angehörigen, dass er nach Alkoholgenuss orientierungslos umhergeirrt und versehentlich ins Grenzgebiet gelangt sei.

Dieter Berger besucht von 1947 bis 1955 die Schule und absolviert anschließend eine Maurerlehre in einem staatlichen Betrieb in Ost-Berlin. 1962 heiratet er die fünf Jahre jüngere Gerda. Sie beziehen ein kleines Haus mit Garten in Glienicke. Um Politik, so sagt seine Witwe im Rückblick, habe sich ihr motorradbegeisterter Mann nicht gekümmert. Flucht sei zwischen ihnen nie ein Thema gewesen. Auch Familie und Freunde glauben nicht an einen Fluchtversuch.

Der 13. Dezember 1963 ist ein Freitag. Am Morgen fährt Dieter Berger wie gewohnt zur Arbeit nach Berlin-Adlershof. In der Mittagspause soll er sich mit einem Kollegen betrunken haben. Anschließend muss er zu Fuß in den angrenzenden Ortsteil Johannisthal gelaufen sein. Dort wird er von einem Postenpaar dabei beobachtet, wie er sich den Grenzanlagen nähert. Sie gehen davon aus, es mit einem Flüchtling zu tun zu haben. Auf ihre Warnschüsse hin klettert Dieter Berger vom Zaun herunter und hebt, wie sie es verlangen, die Hände. Zeugen beobachten, wie er niedergeschossen wird. Berichte der DDR-Grenztruppen stellen dar, dass sie provoziert wurden. Die Provokation haben die Zeugen nicht gesehen. Dieter Berger erliegt seinen Verletzungen noch auf dem Weg ins Volkspolizei-Krankenhaus.

Nach Erkenntnissen der Stiftung Berliner Mauer kamen zwischen 1961 und 1989 mindestens 138 Menschen an der früheren Grenze ums Leben, darunter 100 DDR-Bürger bei Fluchtversuchen. Der Mauerweglauf erinnert an diese Menschen und Schicksale. Aus diesem Grund trägt auch die Finisher-Medaille jedes Jahr das Konterfei eines Maueropfers…” 

Am VP 5 – Imbiss am Ziel (KM 31,4) traf Bernd wieder auf Brigitte und Britta, die schon auf ihn warteten und sich schon auf einen Kaffee am “Imbiss” gefreut hatten, aber der Imbiss hatte geschlossen.

VP 5 – Imbiss am Ziel (KM 31,5)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Anstieg “Dörferblick” in Rudow nach 34,5 km wurden die Läufer vom Veranstalter durch eine besondere Markierung sozusagen freundlich dazu aufgefordert, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen und hemmungslos zu fluchen. Hier galt es, einen 86 m hohen ehemaligen Müllberg zu überqueren und angesichts der steigenden Temperaturen kamen die Läufer dieser Aufforderung sicher gerne nach. Die Wetter-App zeigte inzwischen für Berlin 24 Grad – leicht bewölkt, aber von Bewölkung keine Spur und die Temperatur betrug inzwischen gefühlt 30 Grad.

Dörferblick lädt zum Fluchen ein

Bettina Mecking, die ebenfalls die erste Läuferin einer Viererstaffel war, kam meistens fast zeitgleich mit Bernd an den VPs an und am VP 6 – Buckow (km 39,0), konnten ein paar schöne Erinnerungsfotos an dem fast schon berühmten weißen Bären an diesem sehr schönen Verpflegungspunkt geschossen werden.

Bernd lief weiter über VP 7 – Ninas Eltern (KM 46,5), VP 8 und Osdorfer Straße (KM 52,7). Inzwischen machte ihm und allen anderen Läufern die Hitze sehr zu schaffen und er nahm ein wenig Tempo heraus. Zeitweise gab es kaum Möglichkeit, im Schatten zu laufen.

Bernd bei “Ninas Eltern”

Thomas, der als zweiter Läufer 31,9 km vor sich hatte, war inzwischen am VP 9 und Wechselpunkt 1 – Sportplatz Teltow (KM 59,2) angekommen und wartete gemeinsam mit Brigitte und Britta auf Bernd.

Dieser kam dort glücklich gegen 15:25 Uhr an und übergab den Staffeltransponder an Thomas, der sich dann zügig auf den Weg in Richtung VP 10 – Königsweg (KM 65,4) machte.

Kurze Verschnaufpause nach 59,2 km am Wechselpunkt Sportplatz Teltow

Am Sportplatz Teltow gibt es normalerweise in der Turnhalle die Möglichkeit zu duschen. Dies war pandemiebedingt in diesem Jahr nicht möglich. Also fuhren die verbleibenden drei nach Kleinmachnow, wo Bernd sich in einem Freibad ausgiebig erfrischen konnte.

Thomas war inzwischen nach 8 km und 45 Minuten am ehemaligen Checkpoint Drewitz/Dreilinden vorbeigekommen.

Eine Stunde später erreichte er VP 11 – Gedenkstätte Griebnitzsee  (KM 72,3) am Ortseingang von Potsdam.

Nach 18 km hatte Thomas um 17:20 Uhr die Glienicker Brücke erreicht.

 

Hier wollte er eigentlich auf Bernd, Brigitte und Britta treffen. Wegen einer Vollsperrung kurz vor der Glienicker Brücke aufgrund eines schweren Verkehrsunfalls mussten die drei leider umkehren und es blieb ihnen nichts übrig, als auf Umwegen direkt zum nächsten Wechselpunkt am Schloss Sacrow zu fahren.

Blick von der Glienicker Brücke auf das Schloss Babelsberg

Nach weiteren 3 km kam Thomas gegen 17:40 Uhr am VP 12 – Brauhaus Meierei (KM 79,2) an. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass an allen 27 Verpflegungspunkten viele motivierte Helfer (Volunteers) im Einsatz waren und die Läufer gut gelaunt und motiviert unterstützten.

VP 12 – Brauhaus Meierei (KM 79,2)

Der Weg führte ihn dann weiter um den Krampnitzsee und um den Lehnitzsee herum.

Bernd, Brigitte und Britta waren zwischenzeitlich am Schloss Sacrow angekommen, wo auch schon Torsten auf seinen Einsatz als dritter Läufer wartete. Die drei erkundeten das Gelände rund ums Schloss und um die Heilandskirche am Port von Sacrow, die von 1961 bis 1989 im Bereich der Berliner Mauer lag, während dieser Zeit erhebliche Schäden erlitt und nicht zugänglich war. Nach der Wende wurde sie in den 1990er Jahren restauriert und u. a. Teil der Weltkulturerbestätte Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin und steht damit unter dem Schutz der UNESCO.

Heilandskirche Sacrow

Kurz vor Schloss Sacrow wurde Thomas dann auch endlich von Bernd, Brigitte und Britta abgepasst, die ihn auf den letzten 500 m mächtig anfeuerten.

Noch 500 m bis zum VP 14 und Wechselpunkt – Schloss Sacrow (KM 91,1)

 

Nach Übergabe des Staffeltransponders an Torsten gegen 19:00 Uhr gab es auch am Schloss Sacrow es keine Möglichkeit zu Duschen. Aber auch für Thomas war das kein Problem:

… schon mal gut, dass ich nach der Übergabe an Torsten direkt am Schloss Sacrow in den See springen konnte. Selten so eine schöne Aussicht bei der Erfrischung gehabt.” (Thomas)

Torsten hatte sich inzwischen auf den Weg gemacht und die Dunkelheit kehrte langsam ein.

Die anderen vier verweilten noch ein wenig am Schloss Sacrow und fuhren dann weiter, um Torsten erstmalig gegen 21:30 Uhr wieder am am VP18 – Schönwalde (KM 116,0) zu treffen. Torsten hatte bereits 24,9 km hinter sich und inzwischen war es stockfinster. Aber es lief sehr gut bei ihm und er kam gut gelaunt an:

… toll, wenn man unterwegs noch einige Sololäufer überholt und die motivieren kann. Insbesondere in der Nacht wichtig.” (Torsten)

Am VP 20 und Wechselpunkt 3 – Ruderclub Oberhavel (KM 128,3) in Hennigsdorf warteten die Vier gemeinsam mit Michél dem 4. Staffelläufer auf Torsten, der dort nach seinen 37,2 km ankam und gegen 23:30 Uhr den Staffeltransponder an Michél übergab.

Michél ist bereit für die letzten 33 km

 

Und schon macht sich Michél auf den Weg in Richtung Frohnau.

…. so kurz vor der Geisterstunde zu starten und dann komplett im Dunkeln zu laufen hat auch seinen Reiz.” (Michél)

Bernd, Brigitte, Britta, Thomas und Torsten trafen ihn dann um 1:00 Uhr am VP 23 – Oranienburger Chausses (KM 143,4) wieder. Er hatte bereits 15,1 km in der Dunkelheit hinter sich gebracht.

Um 2:15 Uhr hatte Michél VP 25 – Bahnhof Wilhelmsruh (KM 154,4) erreicht. Nur noch 6,9 km bis zum Ziel.

Für die anderen war es verkehrstechnisch leider nicht möglich, Michél an den letzten VPs rechtzeitig zu treffen und so fuhren sie direkt zum Ziel – Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark (KM 161,3) und genossen dort die wunderbare Wettkampf-Atmosphäre, trafen einige Bekannte (wieder) und hielten Kontakt mit Michél per Telefon und GPS, um ihn auf den baldigen gemeinsamen Zieleinlauf einzustimmen.

Dann war es soweit. Michél lief ins Stadion ein und Bernd, Thomas und Torsten begleiten ihn auf den letzen 50 m gemeinsam um 3:16:28 Uhr nach einer Gesamtzeit von 19:46:28 Stunden über die Ziellinie. Bei einer Gesamtstrecke von 161,3 km sind das 7:21 Minuten pro Kilometer.

Zieleinlauf der Breitscheider Mauerweg-TuSies
100 Meilen Berlin geschafft!

Im Ziel
Das ganze Team der Breitscheider Mauerweg-TuSies im Ziel

Was für ein spannender und langer Tag. Um 4:00 Uhr waren dann alle wieder in ihren Unterkünften und fielen müde und glücklich ins Bett.

… genial war unser gemeinsamer Zieleinlauf morgens um 3.16 Uhr. Schlafen wird überbewertet. Bin dann direkt um 9 Uhr zum gemütlichen Auslaufen gestartet.” (Bernd)

Aber da hat noch jemand offensichtlich immer noch die Absicht, 100 Meilen (oder wenigstens einen Teil davon) zu laufen:

… bin echt zufrieden mit den Jungs. Sie haben das super gemacht und ich hatte riesigen Spaß, das Geschehen zu verfolgen. Aber nächstes Jahr bin ich endlich dran. :-)” (Britta)

Am Sonntag traf man sich im Mauerpark und flanierte über den Flohmarkt. Wie jeden Sonntag gab es hier auch viele kleine kulturelle Highlights sowie im Amphitheater anlässlich des Mauerbaus vor 60 Jahren einige interessante Dokumentationen aus dieser tragischen Zeit in unserer Geschichte.

Am frühen Nachmittag trafen sich alle noch einmal zum gemütlichen gemeinsamen Essen und ließen fröhlich und zufrieden den spannenden Renntag Revue passieren.

Wer mehr über 100 Meilen Berlin erfahren möchte, hier ein offizieller Rückblick inklusive aller Ergebnisse: https://www.100meilen.de/rueckblick-2021/

Das gesamte Team der Breitscheider Mauerweg-TuSies bedankt sich herzlich beim Veranstalter LG Mauerweg Berlin e.V. (www.100meilen.de), dem gesamten Orgateam und den über 400 Volunteers und Rettungs- und Einsatzkräften. Die Veranstaltung war trotz der pandemiebedingten Einschränkungen perfekt organisiert und wird allen Beteiligten noch lange in positiver Erinnerung bleiben.

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Tags: 100 Meilen Berlin, Mauerweglauf

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